Reichspogromnacht - Gedenkfeier
Paula König, Anastasia Rettich und Lea Meiners informierten uns über die Reichspogromnacht und die Gedenkfeier zum 9. November in Werlte.
Allgemeine Informationen zur Reichspogromnacht
9.11.1938: Staatlich organisierte Pogrome (sarkastischer Name ,,Reichskristallnacht") gegen die jüdische Bevölkerung. Mindestens 91 Juden werden getötet, etwa 30000 männliche Juden werden in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt.
Judengesetze
Es gibt 3 verschiedene Gründe, warum die Juden gewaltsam verfolgt worden sind:
-religiöse Gründe:
Da sie den Juden vorwerfen, dass sie Jesus ans Kreuz geschlagen haben und ihn getötet haben.
-wirtschaftliche Gründe:
Die Juden waren meist erfolgreicher als die anderen und hatten große Geschäfte (z.B. Banken) und viel Geld.
-rassistische Gründe:
Die Rassengesetze: die Arier standen an erster Stelle und die Juden am Schluss, sie wurden erniedrigt und als „das Böse“ verunglimpft.
Pogrome und ,,Endlösung"
Die „Endlösung der Judenfrage“ wurde auf der Wannseekonferenz am 20.01.1942 beschlossen. Dort wurde die Massentötung der Juden beschlossen.
Wie hat Erna de Vries die Reichspogromnacht erlebt?
Erna de Vries, wohnhaft in Lathen, hat Auschwitz überlebt. Sie hat sich mit ihrer Mutter beim Grab ihres Vater versteckt, als gerade alles in Werlte verwüstet wurde. Als sie dann zurück zu ihrer Wohnung gegangen sind, mussten sie mit ansehen, wie sie zerstört worden war.
Der Gestapa-Befehl
Die Gestapa (Geheimes Staatspolizeiamt) erteilte den Befehl „Aktionen gegen Juden“ vorzunehmen an die Leiter oder Stellvertreter der Stapoleitstellen. Der Inhalt des Fernschreibens lautete:
1. In kürzester Zeit sollten Aktionen gegen Juden und besonders gegen deren Synagogen stattfinden. Jedoch ist im Benehmen mit der Ordnungspolizei sicherzustellen, dass Plünderungen und sonstige besondere Ausschreitungen unterbunden werden.
2. Sofern sich in Synagogen wichtiges Archivmaterial befindet, ist dieses durch eine sofortige Maßnahme sicherzustellen.
3. Es ist vorzubereiten die Festnahme von etwa 20-30000 Juden im Reiche, vor allem vermögende Juden.
4. Sollten bei den kommenden Aktionen Juden im Besitz von Waffen angetroffen werden, so sind die schärfsten Maßnahmen durchzuführen.
Was ist in der Reichspogromnacht in Werlte und in der Umgebung geschehen?
Werlte: Möbel wurden aus dem Gebetshaus entnommen, auf dem Marktplatz in einen Schutthaufen zusammen gelegt und verbrannt. Die Sögeler Synagoge wurde verbrannt; jüdische Männer wurden in „Schutzhaft“ genommen, nach Meppen in den Keller des Kreishauses gebracht und dort schikaniert und gequält.
Milde Urteile für die Täter im Jahre 1949
Die gerichtliche Verfolgung der Straftaten erfolgte 1949. Die Täter wurden überwiegend sehr milde bestraft. Viele wurden freigesprochen, einige wenige haben ganz geringe Strafen bekommen. Häufige Ausrede der Täter war, dass sie betrunken gewesen seien und gar nicht bewusst gehandelt hatten.
Die Reichspogromnacht jährt sich zum 75. Mal
Der Bürgermeister der Gemeinde Werlte, Herr Willfried Lübs, und Samtgemeindebürgermeister Herr Werner Gerdes haben alle Werlter, besonders auch die jüngere Generation, also auch Schüler, zur Gedenkveranstaltung am Gedenkstein für jüdische Familien beim Rathauseingeladen. Die Aufarbeitung des Schicksals der jüdischen Familien in Werlte ist Herrn Joseph Meyer (ehemaliger Konrektor der ATS) zu verdanken.
Ablauf der Gedenkfeier
Begrüßung durch den Bürgermeister
Übersicht über den Verlauf der Pogrome
Darstellung der antisemitischen und rassistische Zielsetzung
Bericht über den Wandel im Leben der Werlter Juden
Nach einem Leben als normaler Bürger gab es jetzt gewaltige Einschränkungen
Benennung von Beispielen wie der Abmeldung der Viehhandlung
Zwischentext
Wir wollten hier friedlich leben, aber man nahm uns unser Geschäft.
Wir wollten für unseren Lebensunterhalt aufkommen, aber man hat uns unseren Beruf genommen.
Wir wollten hier friedlich leben, aber wir wurden ausgeschlossen.
Wir wollten hier friedlich leben, aber man hat uns vertrieben.
Wir haben im Krieg für Deutschland gekämpft, aber wir wurden verhaftet.
Wir wollten hier friedlich leben, aber wir wurden deportiert.
Wir wollten friedlich in unserem Haus leben, aber das Geschehen auf der Straße hat uns in Schrecken versetzt.
Wir hatten noch so viele Träume, …
… aber ich, Josef, wurde im Alter von 12 Jahren nach Riga deportiert und ermordet,
… ich, Rika, wurde im Alter von 27 Jahren deportiert und in Auschwitz ermordet.
Für jede jüdische Familie wurde von den Schülern eine Kerze entzündet.
Der Gestapa-Befehl wurde vorgelesen.
Die Geschehnisse, die in der Reichspogromnacht in Werlte und Umgebung geschehen sind, wurden vorgetragen.
3 Familien sind ausgewandert nach Kuba und Kolumbien.
Die Schüler haben die Deportationslisten vorgetragen:
-Familie Samuel Jacobs, Hauptstraße 53
-Familie Jacob Jacobs, Molkereistraße 78
-Familie Hugo Jacobs, Wehmer Straße 34 (vorm. Simon Simon)
-Familie Victor Frank, Hauptstraße 216
-Familie Alex Frank, Poststraße 41
-Familie August Frank. Bahnhofstraße 265
-Familie Siegmund de Haas, Osterendstraße 154
Ein Blumengesteck wurde am Gedenkstein abgelegt.
Warum ist diese Gedenkfeier so wichtig?
Aus der Rede des Bürgermeisters:
,,Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit sich zu erinnern, es ist Zeit, sich als Einzelner, als Volk auch diesen Geschehnissen zu stellen; nur so können wir die Vergangenheit aufarbeiten und mit leben. Ein Gedenkstein wie in dieser oder in anderen Gedenkveranstaltungen können natürlich kein Unrecht, keine Vertreibung, keinen Mord rechtfertigen oder wiedergutmachen; wir sollten jedoch den Betrachter der Inschriften dazu bringen, sich auch mit diesem schrecklichen Kapitel deutscher Geschichte auseinandersetzten, sich dazu zu bekennen und allen Tendenzen nazistischer Bestrebungen entschieden entgegen zu treten. Ein Mahnmal sollte erinnern! An die Verbrechen der NS-Zeit, an Mord, Folterung, und Konzentrationslager zu erinnern, ist uns nie leichtgefallen, auch heute tun wir uns schwer damit. …Heute, angesichts neuer Bedrohungen von rechtsextremistischer Seite, ist die Vergegenwärtigung der Unmenschlichkeit der NS-Zeit so dringend wie kaum zuvor.“
Auch von Seiten der Besucher der Veranstaltung wurde die Wichtigkeit der Erinnerungsarbeit betont. So wurde gefragt, warum sie erst jetzt stattfand. Man war der Meinung, dass das auf jeden Fall im nächsten Jahr wiederholt werden müsse.
Beitrag von Ilona Becker und Tobias Budde