2014-12-DeVries2Seit vielen Jahren erfüllt die heute 91-jährige Erna de Vries einen Auftrag ihrer Mutter, den sie ihrer Tochter im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gegeben hatte. „Du wirst überleben und davon erzählen, was man mit uns gemacht hat.“

Diesen Auftrag kannten auch die Schülerinnen und Schüler des WPK-Geschichte (Klassen 9R1 und 9R2) und luden die seit 67 Jahren in Lathen wohnende Überlebende der nationalsozialistischen Gräueltaten ein, vor allen Schülern der beiden Klassen ihre „Geschichte“ zu erzählen.

Schon als Kind hörte Erna de Vries Schimpfwörter oder Beleidigungen wie „Du Jude“ oder „Kauft nicht bei Juden“. Die Ereignisse während der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 hat Erna de Vries noch ganz deutlich vor Augen. Männer mit großen Hämmern standen vor ihrem Haus. Aus Angst flüchtete sie mit ihrer Mutter zusammen zum Grab des Vaters auf den Friedhof. Als sie später zum Haus zurückkamen, mussten sie die Zerstörung ihres Hab und Guts miterleben.

In den folgenden Jahren wurden die Probleme noch größer, die Ausgrenzung der jüdischen Bürger nahm immer mehr zu. Es stand die Deportation nach Auschwitz an. Obwohl Erna de Vries wusste, was KZ bedeutete, weigerte sie sich, ihre Mutter allein ins KZ gehen zu lassen. Für beide, aber nicht nur für sie, so betont Erna de Vries des Öfteren in ihrer „Geschichte“, war Auschwitz eine Zeit mit unermesslichem Leid und unmenschlichen Qualen. Dass Erna de Vries überlebte, konnte damals niemand erahnen. So musste sie sogar die Nacht vor ihrer geplanten Vergasung im Todesblock 25 verbringen; erst in letzter Minute wurde sie auf dem Gang in die Gaskammer von einem SS-Mann aus der Menge der Todgeweihten herausgezogen.

Sehr nachdenklich und betroffen verfolgten die Schülerinnen und Schüler fast 75 Minuten lang die „Geschichte“ der Auschwitz-Überlebenden. Auch die anschließenden Fragen, die natürlich gern beantwortet wurden, zeugten davon, dass dieses Zeitzeugengespräch auf großes Interesse gestoßen ist. So bedankten sich die Klassensprecherinnen der beiden neunten Realschulklassen, Lina und Manuela, auch zum Schluss im Namen ihrer Mitschüler mit den Worten: „Das, was wir hier heute gehört haben, sagt uns viel mehr als ein Text aus dem Buch oder ein Film.“

Erna de Vries, seit kurzem auch Trägerin des Verdienstordens der Bundesrepublik, hat schon mehrere Male in der Albert-Trautmann-Schule ihre persönliche Geschichte erzählt. Auch diesmal hat sie versprochen wiederzukommen, wenn sie gefragt wird und ihre Gesundheit es noch zulässt.